VOLONTÄRBLOG von Paul

#4 Reise mit dem Minibus

Es ist halb vier Uhr morgens, als mich der Fahrer des Minivans anruft und hektisch ein paar Worte auf Khmer ins Telefon ruft. Als ich nichts entgegne, legt er auf, probiert es aber zwei Minuten darauf noch einmal. Ich laufe schnell die steilen Treppen des Guesthouses hinunter und gebe das Telefon dem Wachmann. Er sitzt auf einem weißen Plastikhocker in der Dunkelheit, neben ihm ein magere Katze und eine rauchende Spirale aus Holz gegen die Mücken.

“No problem”, sagt der Mann in gebrochenem Englisch und malt eine 4 in den Sand. Noch eine halbe Stunde also, dann wird der Bus kommen. Wir packen die letzten Sachen in den Koffer und warten. Wenige Minuten später kommt ein großer weißer umgebauter Lieferwagen vorgefahren. Der Fahrer schaut uns empört an, als er unsere riesigen Koffer sieht und findet dann, ohne ein Wort zu sagen, doch einen Platz unter den Sitzen. Wir sind die ersten Gäste, die er an diesem Morgen einsammelt, wir dürfen uns den Platz aussuchen. Ich gehe ans Fenster und schaue zu, wie das tiefschwarze Phnom Penh an uns vorbeizieht. Fast kein Mensch ist unterwegs, nur vor den Hotels sitzen Wachmänner und schauen unserem Bus nach. Immer wieder entdecken wir auch Männer, die auf ihren Mopeds übernachten. Sie stützen sich auf Lenkrad und Sitz und scheinen tatsächlich zu schlafen – zwischen dem Dreck und den Abfällen, die an jedem Straßenrand liegen.

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⇒ Nacheinander füllt sich der Minibus. Erst steigen zwei Männer ein, die uns fröhlich angrinsen und vier große Pakete unter ihren Sitzen abladen. Der Fahrer fährt weiter und ruft die nächsten Reisenden an. Telefonierend fährt er langsam durch einige Nebenstraßen bis er stehen bleibt und seine Türen öffnet: Vier Männer steigen in das Auto. Es vergehen wieder einige Minuten auf den leeren Straßen, bis auch drei junge Frauen eingestiegen sind. Der Fahrer schaut zufrieden: Er hat alle Gäste gefunden und kann die Stadt verlassen. Keiner der Mitreisenden spricht Englisch.

Ich sehe noch, wie wir an den großen Fabriktoren am Stadtrand Phnom Penhs vorbeifahren, dann schlafe ich ein. Als ich aufwache, haben wir die Großstadt weit hinter uns gelassen. Rechts und links der Straße liegen hellgrüne Getreidefelder, die bis zum Horizont reichen. Vereinzelt stehen einige Palmen mit dünnen langen Stämmen auf den Feldern, sonst sehe ich nichts. Dann entdecke ich die ersten Stelzenhäuser. Sie stehen an einigen Stellen dicht an dicht am Straßenrand. Bunte Treppen führen in den Wohnbereich, unter den Häusern spielen Kinder zwischen den Stelzen. Kühe grasen auf den Grundstücken, Hühner laufen am Straßenrand. Unter den Häusern warten Mopeds auf ihren Einsatz, kleine Marktsände stehen an der Straße. Dort, wo unsere Straße durch größere Orte führt, kann der Fahrer nur langsam fahren: Kinder spielen am Straßenrand, Tiere laufen umher, Menschen feilschen an den Verkaufsständen.

Außerhalb der Orte drückt unser Fahrer aufs Gas. Er hupt ausnahmslos jedes Mal, wenn er ein Moped oder Fahrrad überholt und rast dann eilig an den langsameren Fahrzeugen vorbei. Oft schaue ich gebannt aus dem Fenster und gucke die Landschaft an, dann werde ich wieder müde und schlafe ein. Als wir Stung Treng erreichen und die ersten Menschen unseren Bus verlassen, sind acht Stunden und vier kurze Fahrtpausen vergangen.

Phalla vom Verein empfängt uns am Bus und zeigt uns unser Volontärhaus. Es ist ein wunderschönes Stelzenhaus mit einer Veranda, einem gemütlichen Wohnbereich, einer Küche und jeweils einem Zimmer für uns Volontäre.

Wir richten uns ein, ich hänge mein neues Moskitonetz über dem Bett auf, räume den Rucksack aus. Danach räumen wir im Haus auf und fegen. Phalla ist sehr nett, er führt uns durch das ganze Haus und zeigt uns danach, wie wir unsere Mopeds fahren können: Zwei Stück stehen unten im Hof zwischen den Stelzen. ⇒

Ich habe das Moped nach wenigen Anläufen unter Kontrolle, kann mit der rechten Hand Gas geben, mit dem linken Fuß schalten, mit dem rechten Fuß bremsen. Vier Gänge hat das Ding, der Tacho reicht bis 140 km/h – funktioniert allerdings nicht. Erstmal nimmt mich allerdings Phalla mit in die Stadt: Ich setze mich hinten auf das Moped, er fährt und zeigt mir, wo wir Essen kaufen können, wo die Bäckerei ist, wo sich die Bank befindet, wo wir tanken werden und wie wir zu seinem Haus finden. Erst halte ich mich panisch an seinen Schultern fest, dann gewöhne ich mich langsam an die Fahrt und genieße die Tour: In dieser Stadt werden wir nun also leben!

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⇐ Meinen ersten Auftritt im kambodschanischen Straßenverkehr erlebe ich dann auch früher als gedacht: Das andere Moped hat kein Benzin mehr und so schwinge ich mich auf mein frisch betanktes Gefährt und tucker langsam bis zum nächsten Geschäft. Nicht viele Leute sind unterwegs, ich fahre langsam – natürlich mit Helm – durch die Straßen und entdecke schließlich einen Stand an der Straße, der Benzin verkauft. Der Treibstoff wird in kleinen Plastikflaschen angeboten. Ich kaufe zwei der Flaschen mit der gelben Flüssigkeit von der lachenden Verkäuferin. Nachdem sie mir geholfen hat, das passende Kleingeld in Riel zu finden, fahre ich zurück nach Hause: Vorbei an dutzenden farbigen Stelzenhäusern und im Straßengraben weidenden Kühen, in der linken Hand die Tüte mit dem Benzin.

Mittlerweile können wir übrigens beide sicher fahren: Wir haben auf einer leeren und ruhigen Schotterpiste in der Nähe geübt. So konnten wir am Abend auch zum Markt fahren, um eine Suppe zu essen.

Jetzt sitze ich unter meinem Moskitonetz im Bett. Die Grillen zirpen vor dem Fenster, hin und wieder fährt ein Moped auf der Straße vorbei. Ich habe heute schon wieder so viel erebt: Unglaublich! ⇐