VOLONTÄRBLOG von Paul

#8 HINter der Dosenwand

Ich brauche einen Moment, um zu verstehen, dass ich schon wach bin und nicht mehr träume. Ein Gewirr aus Stimmen und lauter Musik rieselt am frühen Morgen durch mein geöffnetes Fenster. Verschiedene aufgeregte Stimmen überschlagen sich, zwei oder drei unterschiedliche Melodien klingen durcheinander. Ich, der noch verschlafen unter dem Moskitonetz liegt, hört nur einen chaotischen und in allen Farben scheppernden Klangbrei, der mich nicht mehr einschlafen lässt.

Zu gerne wüsste ich, was dort in der Ferne los ist, denke ich, während ich mir ein Toast vom Stadtbäcker schmiere und auf der Veranda frühstücke. Ich beobachte die kleine Vogelfamilie, die auf dem Giebel des Nachbarhauses stolz einen Tanz aufführt und dabei fröhlich zwitschert. Wir sind uns schon bekannt. Die kleinen Krallen trommeln heute besonders laut auf dem Blechdach, als wollten sie auf ihre erneute Showeinlage aufmerksam machen. Es ist kalt heute morgen, zum ersten Mal ziehe ich mir einen Pullover über. Ich schmiere mir noch ein Toast und blicke auf unsere breite, asphaltierte Einfahrt, die durch ein großes blaues Metalltor von der Straße getrennt wird. Ein paar Palmen stehen auf dem vorderen Grundstück, hinter dem Haus wachsen die Pflanzen wild durcheinander.



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Noch immer höre ich die wirren Stimmen und Melodien laut aus dem Mikrofon. Erst als wir später mit unseren Mopeds in die Stadt fahren, erfahren wir der Quelle der außerirdischen Geräuschkulisse. Am Straßenrand ist ein Zelt aufgebaut: Innen sitzen schick gekleidete Menschen an pink gedeckten Tischen. Außen steht ein golden eingerahmtes Foto, das das Paar zeigt, das hier heute heiraten wird.

Bis zum Nachmittag bleiben wir im Kinderdorf. In dem kleinen Restaurant, das wir inzwischen gut kennen, essen wir nach der Rückkehr gebratenen Reis und trinken einen Avocado-Shake. Die Theke ist hinter einer großen Wand von ordentlich gestapelten Kondensmilchdosen versteckt. Sie werden den Restaurantgästen anscheinend mit großem Stolz präsentiert. Ich schaue der Frau beim Mixen des Shakes zu, ihre Routine ist umwerfend: Schnell schneidet sie ein paar Avocadostücke, gibt einen Schuss der Kondensmilch in den Mixer und schüttelt das Gerät kräftig, während sie auf den Knopf drückt. ⇒

Dann holt sie mit der anderen Hand einen großen Eiswürfel aus der roten Truhe hinter ihr und zerkleinert ihn mit einer Maschine, bevor sie ihn in den Mixer kippt. Ich frage die Verkäuferin nach dem Wort für Avocado in Khmer, sie antwortet mir lachend: Plei Baom. Komisch, denke ich: So nennen die Kinder doch einen Apfel.

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Und so gehe ich heute Abend mit dem Rätsel ins Bett: Heißen Apfel und Avocado in Kambodscha gleich oder hat sich die Frau hinter der Dosenwand einen Spaß erlaubt?

Paul war 2017 als Volontär für BeeBob in Kambodscha. Er gab den Kindern Englischunterricht und arbeitete mit Projektleiter Phalla an neuen Projekten im Center. Heute engagiert sich Paul im BeeBob-Vorstand für die Kinder.

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